Süddeutsche Zeitung, 24.12.1998
von Birgit Sonna

 

 

Von Zyprioten und einem Akt im Kubus

Der Photopreis der Danner-Stiftung im Münchner Stadtmuseum

Es ist, als ob man durch eine schräg gestellte Jalousie unversehens Einblick in eine Peep-Show bekommen würde. In feine Lamellen zergliedert, bietet sich ein weiblicher, kopfloser Körper dar. Verändert man den Blickwinkel, so schwindet zauberhafterweise mit einem Mal auch der auf einen Kubus komprimierte Akt. Aus einer Unmenge von minimal verscho­benen Photoansichten ein- und desselben Motivs hat der Künstler Hubert Wei­land seinen Siebdruck-Block zusammengesetzt. Mit diesem ebenso raffinierten wie technisch aufwendigen Trick findet sich der weibliche Körper zersplittert, damit als ziemlich austauschbarer kenntlich gemacht.

Die Pose des exponierten Frauenkörpers ist eindeutig pornographischer Na­tur. Würde man „Some Bodies" in seine Einzeltafeln aufblättern, so ergäbe sich eine filmische Sequenz, die das Auge langsam von einem lasziv abgewinkelten Bein zum Geschlecht der Frau entlangwandern läßt. Und auch die Form der Skulptur ist von Weiland mit Bedacht gewählt: Kein anderer als Sigmund Freud hat in seiner „Traumdeutung" auf die männliche Identifikation der Frau mit einem „Kästchen" hingewiesen.

Zu Recht hat der Münchner Akademieabsolvent Hubert Weiland dieses Jahr einen Sonderpreis von der Danner-Stiftung erhalten. Sein antierotischer Zauberkörperkubus ist nun zusammen mit den Arbeiten der beiden Preisträger des Bayerischen Photopreises im Fotomuseum des Stadtmuseums zu sehen und stiehlt ihnen obendrein etwas die Schau. Die mit 10 000 Mark dotierten Preise werden von der sonst dem Kunsthandwerk verbundenen Danner-Stiftung alle drei Jahre an zwei förderungswürdige, junge Photokünstler vergeben. Mit David Steets und Marek Vogel sind von diametral entgegengesetzter Warte aus argumentierende Geschichtenerzähler als Preisträger erkoren worden. Vogel re- und dekonstruiert zugleich mit einer biographischen Photostory die Privatsphäre eines Familienzweigs, der nach Kanada ausgewandert ist. Ein innerer Zusammenhang zwischen den Familienmitgliedern, auratischen Detailaufnahmen, Snapshots und Landschaftszzenerien erschließt sich nicht. Statt dessen zählt die immer auch individuelle und momentabhängige Magie der Erinnerung, einerlei ob es sich nun um Vogels eigene Bilder oder die reproduzierten aus dem Photokästchen seiner Mutter handelt.

David Steets hingegen ist der traditionellen Dokumentar- und Reportagepho-tographie verbunden. Vielbeachtet seine Abschlußarbeit für die hiesige Fachakademie für Photodesign „Tschernobyl - Leben mit dem Unfall". Letztes Jahr reiste er dann nach Zypern, um das nach der türkischen Invasion im Jahre 1974 und Zwangsumsiedlungen in zwei ethnische Zonen geschiedene Land zu reflektieren. Steets versucht eine doppelte Parteinahme, in dem er einmal von selten der türkischen, dann von selten der griechischen Zyprioten aus die geographi­schen, gesellschaftlichen und politischen Wunden ins Visier nimmt. Brillant nicht nur die Tiefenschärfe der Bilder, sondern auch die sensible journalistische Recherche. In Beiläufigem wie einem scheinbar achtlos an die Mauer gelehnten Gewehr offenbaren sich die weiterhin schwelenden kriegerischen Konflikte im zypriotischen Grenzland. Daß Dokumentar-photographie rein objektiven Kriterien folgt, weiß Steets zweifache Perspektive anschaulich zu widerlegen.

BIRGIT SONNA

 

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