Katalogtext Hubert Weiland

Columbus Art Foundation

Herausgeber: Columbus Leasing GmbH, Ravensburg, 2000

 

Bettina Högner

Ausgangspunkt für die Arbeit Hubert Weilands ist die Frage nach Realität und Fiktion in der Fotografie. Diese Frage ist so alt wie das Medium selbst, und ist, wie auch in der Malerei und der Bildhauerei als die beiden klassischen bildenden Künste, ihrem Wesen eigen. Hubert Weiland, der Bildhauerei studierte, ist ein Grenzgänger, er bewegt sich zwischen den Gattungen.

Die als "Some Bodies" betitelten Arbeiten entwickeln sich aus Fotos oder einzelnen serigraphierten Platten. Die minimal verschobenen Fotoansichten eines Motivs werden zu Kuben zusammengefügt bzw. gestapelt und erscheinen nun aufgefächert auf den seitlichen Flächen zum einen, als Gesamtansicht eines Motivs auf der vorderen Fläche zum anderen.

Hubert Weiland löst sich so von der traditionellen zweidimensionalen Fotografie und weitet sie in den Raum aus. Wie auch in der Skulptur ist hierbei die Oberfläche von zentraler Bedeutung. Bereits mit dem Aufgreifen des Terminus "Oberfläche" nähert man sich einem Begriff, der stark der Bildhauerkunst zugeordnet ist. Doch im Gegensatz zur klassischen Skulptur ist bei Weilands Kuben die Oberfläche das eigentliche Bildmedium. Sie zeigt sich hier nicht als volumenüberziehende Haut, sondern als aufgefächerte Fläche.

"Some Bodies" überwinden traditionelle Sehgewohnheiten, besonders unter dem Aspekt partieller Vorführung von Mehransichtigkeit und Aufsplitterung.

Löst man die Stapel auf, so ergibt sich eine Art filmische Sequenz. Das Element der Bewegung - im Film die Aneinanderreihung von Einzelbildern - wird umgekehrt und innerhalb des Stapels wieder aufgehoben. Der Stapel zeigt, teils etwas verzerrt und in sich verschoben, die Fotos nicht mehr als Einzelbilder, sondern die Summe der Bilder, die sich dem Betrachter als dreidimensionales Objekt darstellt. Weiland löst sich hier von der Fotografie als Medium, das einen ganz bestimmten Zeitpunkt im Bild festhält. Dem Betrachter eröffnet sich das gesamte Motiv nicht im Einzelbild, sondern erst in der Abfolge der sichtbaren Ränder der Einzelbilder auf den Seitenflächen des Kubus. Er wird darüber hinaus durch das Flimmern und Changieren des Motivs auf den seitlichen Oberflächen, das sich je nach Standort des Betrachters verändert und ein weiteres Bewegungsmoment ins Spiel bringt, herausgefordert. Besonders bei den großen, raumgreifenden, serigraphierten Stapeln stellt sich beim Annähern an das Objekt das Gefühl der Bewegung, der schrittweisen Erfassung ein. Eine andere Art der Bewegung ist dem Objekt inhärent, man kann es beliebig stapeln oder auffächern und sich so immer wieder auf neue Weise dem Motiv annähern.

Hubert Weiland wählt für seine Kuben bewußt ein Sujet, das eine lange Geschichte in der Fotografie hat: den Akt. Er inszeniert Klischees mit dem Blick aus männlicher Sicht - so läßt er z.B. eine Frau in aufreizender Pose auf eine Küchenzeile klettern oder zeigt eine andere mit weit gespreizten Beinen auf dem Badewannenrand. Jede Pore und jede Unebenheit auf den Körpern bleibt sichtbar, wird nicht kaschiert und baut so die Distanz, die durch die Nacktheit aufgebaut wird, zum Teil wieder ab. Indem Hubert Weiland nur den Körper ohne den Kopf fotografiert, wird die Frau als Individuum austauschbar ­wie es der Titel schon zum Ausdruck bringt: "Irgend Jemand".

Geschlechterrollen werden somit hinterfragt und zur Diskussion gestellt. Die Pornografie ist ebenso wie die Fotografie eine Fiktion, bei der der Eindruck vermittelt wird, dass das Dargestellte wahr ist. Durch das Zusammenspiel der äusseren Form und der Wahl des Sujets entsteht so ein inhaltliches Gleichgewicht. Die Provokation des pornografischen Themas wird durch den Objektcharakter der Darstellung wieder aufgehoben. Weiland sucht bewusst die Übertreibung. Sein Ansatz ist, so Weiland selbst, durch die Wiederholung der Abbildung das Abbild "realer" zu machen.

Der Betrachter kann sich der Faszination, die von den Kuben ­sowohl in haptischer als auch in motivischer Hinsicht­ ausgeht, nicht entziehen. Es ist nicht zuletzt die Formulierung einer Sehnsucht, Körperlichkeit sichtbar und greifbar zu machen, die den Reiz von "Some Bodies" ausmacht.

In seiner "Portraitserie I-V" nähert sich Weiland auf ganz andere Art dem Verhältnis zwischen Fotografie und Skulptur, zwischen Künstlichkeit und Realität bzw. Echtheit. Die Konstruktion einer neu inszenierten Bildwelt rückt in den Vordergrund.

Zuerst nimmt Hubert Weiland Gipsabdrücke der Gesichter seiner Modelle. Diese plaziert er dann vor einer Wand, wirft mittels Diaprojektor das zuvor fotografierte Portrait des Modells darauf (möglichst deckungsgleich) und fotografiert anschließend diese Situation erneut. Besonders interessiert Weiland bei dieser Vorgehensweise die Überlagerung zweier bildnerischer Verfahren: der Fotografie und der Skulptur. Indem er die Schatten der Skulptur sowie auch die der Metallständer, die durch die Projektion auf der Wand erzeugt werden, zeigt, verdeutlicht er seine Frage nach der Nachahmung von Kunst in der Fotografie. Hier zeigt sich der inhaltliche Zusammenhang der beiden Serien. Obwohl sie gegensätzlich in der Erscheinung sind, liegt "Some Bodies" und der "Portraitserie" ein ähnliches Konzept zugrunde: die Frage nach bildnerischer Realität und der Art und Weise ihrer Wahrnehmung.

 

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